Un petit mot de Luis Nicolas Jachmann, Abiturjahrgang 2012

Ich habe soeben meinen Federhalter auf den kleinen Tisch vor mir abgelegt. Und sage mir nach zwei Jahren Französisch-Leistungskurs: So, das war’s jetzt. Meine letzten Zeilen auf Französisch. Nein, nicht, weil ich Schluss mache. Mit der Sprache. Im Gegenteil. Ab jetzt spreche ich diese Sprache.
Knapp drei Monate später sitze ich nicht mehr in der großen Aula und schreibe mein Abitur, sondern ich stehe vor 35 quirligen, wissbegierigen, begeisterungsfähigen Schülern – und spreche Französisch. Mitten in Zentralafrika. Im Küstenstaat Kamerun unterrichte ich im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres in einer Grundschule. Die bilingual aufgewachsenen Kinder – neben Französisch und Englisch kommt sogar oft noch eine lokale Sprache hinzu – erleben einen kleinen Kulturschock, als sie mich, den Europäer in ihrem Klassenraum face à face gegenübersitzen. Hier verdient das Wort Schock eine ausschließlich positive Konnotation. Auf den Reisen durch das Land nehme ich nicht nur kulturelle Vielfalt war, sondern auch Klangnuancen. Das afrikanisch gesprochene Französisch unterscheidet sich in seiner Aussprache und im Wortschatz doch erheblich vom Französisch im Mutterland, der Métropole. Das Jahr vergeht im Flug. Die Erinnerungen hallen aber nach. Die französische Sprache lässt mich nicht weniger los. Sie zu pflegen, sie anzuwenden – das bleibt auch mein oberstes Credo zurück in Deutschland.
Im Politikstudium in Berlin schließe ich rasch Freundschaft mit Erasmus-Studierenden aus Frankreich, die an unserem Institut zum Teil ihrerseits erste Auslandserfahrungen machen. Neben meinem Studium mache ich im hippen Berlin-Kreuzberg Radio. Mit noch hipperen Franzosen. In unserer Equipe geht es munter zu. Wir beleuchten in unserem monatlichen, zweisprachigem Magazin Themen, die das frankophile Publikum in Berlin bewegen: Franzosen-Diaspora in der Hauptstadt, deutsch-französischer Humor – um nur zwei Beispiele zu nennen. Auf Muckefunk.de gibt es beaucoup à rechercher. Deutsch-Französische Freundschaft geht auch via Musik. Mit meinem deutsch-französischen Chor, ein Netzwerk, das sich nach den Elysée-Verträgen von 1963 in beiden Ländern peu à peu entwickelt hat, feiern wir mit einem großen Konzert im Prenzlauer Berg 50 Jahre Bestehen.
Zwei Jahre sind inzwischen vergangen. Schnell reift die Idee, mein drittes Bachelor-Jahr in Frankreich zu verbringen. An der Sciences Po, unweit von Seine und Notre Dame in Paris lerne ich, was die Franzosen von Politik verstehen. Viel. Ein bisschen anders. Ein bisschen pragmatischer. Das haben Mitterand, Chirac und Co in dieser Grande École auch schon eingetrichtert bekommen. Noch praktischer wird es für mich in Straßburg. Im EU-Parlament spreche ich mit europäischen Abgeordneten über Politik. Der Front National, ein politisches Phänomen auf der Überholspur in Frankreich ist in unserem Radiostudio ein wichtiger, wenngleich auch ungeliebter Gast. Nach einem Studienjahr, das neben vielen schönen Seiten mitunter auch von Terrorismus und der folgenden Sicherheitsdebatte in Paris geprägt ist, setzt sich das Savoir-vivre letztlich durch: Die EM in Frankreich erlebe ich als großes Fest eines Europas, das nach seinem gemeinsamen Kern sucht. Party machen, Spiele gucken zusammen – vielleicht ein Ansatz. Ich jedenfalls berichte auch darüber. Mit der ARD in Paris begleiten wir die Europameisterschaft – von Lille nach Marseille.

Und ich erkenne: Frankreich – un pays à découvrir.

Luis Nicolas Jachmann

Beispiel einer filmisch umgesetzten Arbeitsprobe des Autors, zu sehen unter:

https://www.youtube.com/watch?v=GwCWSx5I_F0

https://vimeo.com/165437565