
Das Theaterspiel gehört zur künstlerischen Erziehung eines humanistischen Gymnasiums, denn die ganzheitliche, spielerische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen, psychologischen, historischen und politischen Themen wirkt sinnstiftend und wertevermittelnd auf die jungen Menschen ein: Es sind Fragen an das eigene Leben, an vergangene und gegenwärtige Gesellschaftsformen, an die Bedeutung von emotionalen Bindungen und vieles andere mehr, das in der Theaterarbeit und den daraus resultierenden Inszenierungen angesprochen wird.
Das Theater leistet einen bedeutsamen Beitrag zur ganzheitlichen Identitätsbildung der Schülerinnen und Schüler, bei der die kognitiven, emotionalen und pragmatischen Fähigkeiten gleichermaßen entwickelt werden. Es ermutigt zu schöpferischem Tun und zur Entfaltung von Ausdrucksfreude. Theaterspielen ermöglicht ganzheitliche Selbsterfahrung. Es fördert den Mut, eigene Gefühle und Wünsche wahrzunehmen und zum Ausdruck zu bringen und stärkt dadurch das Selbstbewusstsein. Es verlangt den vollen physischen und psychischen Einsatz jedes Einzelnen und damit den Willen zur Konzentration und Merkfähigkeit, Disziplin und zum Ausloten der eigenen Belastbarkeit. Im Spiel erleben sich Jugendliche als produktiv Handelnde und entwickeln die Bereitschaft, für den kreativen Prozess Verantwortung zu übernehmen. In der Auseinandersetzung mit Rollen haben die Jugendlichen die Möglichkeit, die eigene Person kennen zu lernen und mit ihren Stärken und Schwächen anzunehmen. Sie lernen, sich selbst besser einzuschätzen und können im Spiel alternative Handlungskonzepte ausprobieren. Das Theaterspiel gibt ihnen Raum zur Entwicklung ihrer Kreativität und Mut zu Risiko und Experiment, da im Spiel relativ folgenlos Grenzen austariert und Werte in Frage gestellt werden können. Das Erproben verschiedener Rollen macht offen für die Wahrnehmung von selbstbestimmtem und fremdbestimmtem Handeln. Dies führt zu einer Bewusstwerdung eigener Vorstellungen, Motivationen und Interessen und gleichzeitig zum Abbau von Rollenfixierungen.
Theaterspielen ist immer Gruppenarbeit. Jeder Einzelne muss sich auf die Mitspielenden einlassen, sich mit ihnen auseinandersetzen, sich in die Gruppe integrieren, sich aber auch gegen sie behaupten. Auf unterschiedlichen Ebenen wird Arbeitsteilung geplant und durchgeführt. Durch das Gruppenerleben werden soziale Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein, Kooperationsfähigkeit, Konsensfähigkeit, Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen, Sensibilität, aber auch Konfliktfähigkeit gefördert. Vertrauen, Toleranz, Akzeptanz und Anerkennung sind sowohl Voraussetzung als auch Ziel der Arbeit. Durch die praktische Arbeit in der Gruppe lernen Schülerinnen und Schüler, andere als Partner zu akzeptieren und in einem Miteinander die gestellten Aufgaben und auch auftauchende Konflikte in angemessener Form zu bewältigen und/oder auszuhalten. Sie begreifen im Austausch unterschiedlicher Ansichten und Sichtweisen, dass Werte wie Offenheit, Toleranz und Verlässlichkeit Voraussetzungen einer erfolgreichen Arbeit sind. Sie machen die Erfahrung, dass Leistungen des Einzelnen nicht isoliert zu Stande kommen können, dabei lernen sie, die Beiträge anderer zu achten, sich auf Neues oder Fremdes einzulassen. Da ein Ergebnis nur durch gemeinsames Handeln in der Gruppe erreicht werden kann, führt szenisches Spiel zu Team- und Projektfähigkeit. Jugendliche nehmen an der Zielfindung eines Vorhabens teil, sind an der Planung beteiligt und betreiben seine Realisation und Dokumentation. Dabei lernen sie, Arbeitsprozesse zu koordinieren und weitgehend eigenständig und eigenverantwortlich durchzuführen. Im Spiel stellt der Jugendliche eine theatrale Figur dar, deren Persönlichkeit und Verhalten ihm manchmal sehr fremd sein mag. Indem er ihr seinen Körper und seine Stimme leiht, lernt er sie kennen, muss sich in sie hineinversetzen, muss für die Dauer des Spiels auf ihrer Seite stehen. Dadurch findet ein Perspektivenwechsel statt, der Toleranz und Verständnis für Fremdes fördert. So zielt das Theaterspiel nicht nur auf die Entfaltung individueller Autonomie, sondern auch auf kommunikative und soziale Kompetenz. Das Erreichen dieser Kompetenzen befähigt zur partizipatorischen Mitgestaltung gesellschaftlicher Prozesse.
Die Theatergruppe des Görres-Gymnasiums, die „Gruppe aus 6“, wurde 2013 gegründet und nimmt seitdem jedes Jahr erfolgreich an den Düsseldorfer Schultheaterfestivals teil – an der Maskerade im Goethe-Gymnasium sowie an den Schultheatertagen im FFT. Diese Festivals werden von den Mitgliedern der Theatergruppe als sehr bereichernd wahrgenommen, nicht nur weil sie auf diesen Bühnen ihre künstlerische Arbeit einem breiteren Publikum präsentieren können, sondern vor allem weil diese außerschulischen Spielorte Möglichkeiten der Begegnung und des Austausches bieten – besonders mit den Spielerinnen und Spielern anderer schulischer Theatergruppen.
Eine andere Form dieser Öffnung von Schule findet in der Kommunikation und Kooperation mit professionellen Theatern im Nahbereich der Schule statt (FFT, Schauspielhaus Düsseldorf). In der reflektierten Auseinandersetzung mit Theateraufführungen öffnet sich Schule für unterrichtswirksame Impulse außerschulischer gesellschaftlicher Wirklichkeit.
Theaterspielen ist somit ein wesentliches Element der Schulkultur, und als Zuschauer an Aufführungen professioneller Theater teilzunehmen, ist ein wichtiges Element unserer öffentlichen Kultur.
Kontakt: Frau Hartung
