Sohn Hamlet

Eigenproduktion nach William Shakespeares „Hamlet“ und Heiner Müllers „Hamletmaschine“

Mit Beginn unserer Treffen in diesem Schuljahr waren wir auf der Suche nach einem Stoff, mit dem wir auf der Bühne über eine in so vielerlei Hinsicht brüchig gewordene Welt erzählen können, um dabei zu versuchen, herauszufinden, ob und wenn ja – wie – ein Individuum sich in einer aus den Fugen geratenen Welt orientieren kann. Dabei sind wir auf Shakespeares Hamlet gestoßen, der uns in seinem Zweifel, in seiner Dringlichkeit auf der Suche nach Wahrheit, in seiner Ablehnung von trügerischen Fassaden der Menschen, die ihn umgeben, zunächst sehr nahekommt.

Angenähert haben wir uns dem „großen“ Stoff durch eine sehr vertraute Vorstellung: Ein junger Mensch bricht auf von zu Hause, um an der Universität zu studieren. Er freut sich sehr, doch fällt es ihm gleichzeitig auch schwer, sich von seiner Familie – vom geliebten Vater und von seiner Mutter – zu verabschieden. Und dann, als er zurückkehrt, ist alles ganz anders: Sein Vater ist tot, die Mutter neu verheiratet mit dem Bruder ihres verstorbenen Mannes, der die Staatsgeschäfte mit verschärfter Rhetorik und großer Lust an seiner neuen Machtposition führt. Hamlet ist erschüttert. So tief erschüttert, dass er die Stimme seines Vaters in sich hört, der seinen Onkel des Mordes beschuldigt und der sich wünscht, dass Hamlet diesen Mord rächt. Die ehemals vertraute Umgebung ist aus den Fugen. Aber was tun? Hamlets Willen zur Tat wird gebremst von einer diffusen Handlungsunfähigkeit: Mal steht ihm das Gefühl, mal das Gewissen, mal sein Denken im Weg. Der Wahnsinn, den er bei klarem Verstand als Maskierung wählt, um nach der Wahrheit zu suchen, frisst sich zunehmend in die Realität und führt schließlich dazu, dass er sich geradezu zerstörerisch dem einzigen Menschen gegenüber verhält, der ihm wirklich aufrichtig begegnet. Warum kann er diese Aufrichtigkeit nicht erkennen und annehmen? Warum wird er selbst zu einem brutalen Täter – ist es die Gesellschaft, die ihn dazu macht?  Eine gesellschaftliche Mehrheit, die ihn schließlich irgendwann für wirklich verrückt erklärt? Oder liegt da eine Dunkelheit in ihm verborgenen, mit der er sich irgendwann sozusagen angefreundet hat? Genießt er die Tiefe seiner Verzweiflung, die Maske des Wahnsinns, die seine Umgebung verstört und provoziert?

Diese Fragen versuchen wir auf der Bühne spielerisch auszuloten. Hamlet versucht zwar bis zuletzt, der Verkommenheit seiner Umgebung die Stirn zu bieten, scheitert jedoch dabei, und der Rest ist dann Schweigen.

Von und mit: Anne Gatzka, Lorelei Holtmann, Anna Lena Glock, Katja Bader, Fayola Tabea Schönrock, Claudius Weis, Leander Gislason, Dennis Rinck, JiHun Park, Alexander Michel

Spielleitung: Sandra Hartung

Spieldauer: ca. 50 Minuten, keine Pause

Premiere: 13.03.2020 um 19 Uhr in der Aula des Görres-Gymnasiums